Mit Mentalität gekennzeichnete Beiträge
Vorbild Polizei
Zwei Polizisten an einer Ampel. Einer will bei rot rüber, der andere hält ihn zurück: „Ein Kind!” Der andere: „Mist!”
Das Wichtigste zum Schluss
Ich habe mich kürzlich mit einer Person, die auch als Dolmetscherin für Spanisch, Deutsch und Englisch arbeitet, unterhalten. Dabei ging es auch um eine Besonderheit der deutschen Sprache, die es erschwert, aus dem Deutschen möglichst simultan ins Spanische oder Englische zu übersetzen: Der Position des Verbs.
Es gibt im Deutschen viele Satzkonstruktionen, bei denen das Verb erst ganz am Ende, nach einer langen Aufzählung, Einschüben (egal, wie wichtig sie auch sein mögen) oder anderen Anmerkungen nach langer Zeit endlich kommt. Und was sich Dolmetscher dann alles merken dürfen, da man im Spanischen und Englischen das Verb in der Regel relativ weit vorne, also vor allen anderen Informationen, die in dem Satz im Deutschen relativ weit vorne stehen, braucht.
Irgendwo im Web (ist schon lange her, daher habe ich jetzt keine Quelle mehr :-/) laß ich mal, dass dieses Phänomen auch damit zu tun haben könnte, dass sich Deutsche oft ausreden lassen und besonders Spanier und Italiener sich schnell ins Wort fallen. (Wie es hierbei mit den Engländern aussieht, weiß ich nicht.) Denn im Deutschen kann man oft nicht wirklich reinreden, wenn die Satzaussage so lange auf sich warten lässt. Im Spanischen ist die Aussage relativ schnell klar, sie kann mit zunehmender Länge des Satzes zwar präzisiert, aber kaum noch umgedreht werden. Interessante Theorie…
Bei dem Gespräch fiel mir übrigens folgendes Video von Hennig Wehn dazu ein.
Besonders zum Lachen und Weinen gerade für Dolmetscher ist sicherlich auch Long and Winding Words. Die weiteren Folgen sind auch sehenswert.
Straßenvorschlagsordnung
Über das Verhalten von Südeuropäern im Straßenverkehr gibt es ja in Deutschland einige Vorurteile. Drei Beobachtungen dazu:
- An einer Kreuzung ist es für Autos gerade rot geworden. Ein Fahrschulauto fährt heran, bremst ab. Fahrlehrer winkt zum Fahrschüler, er solle noch weiter fahren. Sind ja noch keine Fußgänger auf der Straße. (Siehe Spruch-Artikel)
- Ich laufe gegen 3:30 Uhr nach Hause und überquere eine Kreuzung, die zufälligerweise sogar grün für mich anzeigt. Aufgrund einer Baustelle in der Mitte der Straße hat man keinen Blick auf die zweite Spur. Eine Polizeistreife ohne Signal fährt ungefähr zwei Meter vor mir noch seelenruhig und recht langsam über die rote Ampel (für die zwei Meter hätte ich ja sowieso noch eine Minute gebraucht…). Ich schaue die Beamten im Auto komisch an, sie schauen gelangweilt zurück.
- Eine Fußgängerampel wird für die Autos rot. Ein herankommendes Auto beschleunigt und zeigt durch Hupen an, dass es noch vor den Fußgängern über die Ampel möchte. Dem Wunsch wird entsprochen; die ca. fünf anderen Personen finden das scheinbar nicht ungewöhnlich und bleiben trotz grün noch einen Augenblick länger stehen.
Trotz dieser Mentalität gibt es hier aber nicht so extrem viele Unfälle, wie erschrockene Deutsche schnell annehmen würden. Die Menschen passen im Straßenverkehr einfach besser auf. Mir ist die letzte Zeit aufgefallen, dass ich niemanden beobachten konnte, der bei grün einfach so über die Straße geht. Man geht über die Straße, wenn sie frei ist. Wenn sich „von weitem” Autos androhen, hört man eher mal auf die Ampel. Ansonsten schaue ich auch meistens nur noch in beide Richtungen und gehe über die Straße.
Ein Nebeneffekt davon ist, dass sich das über-die-Straße-gehen nicht auf die Fußgängerfurten beschränkt. Man geht einfach überall über die Straße. Das ist auch recht effizient, da man einfach auf eine leere Straße wartet und dann rübergeht, ohne an einem definierten „Übergangspunkt” auf ein Signal zu warten. Ich habe hier noch nie Autofahrer hupen hören, weil plötzlich wieder Fußgänger spontan die Straße wechselten. Die Fahrer rechnen halt immer damit.
Letztendlich aber gefällt mit das „deutsche System” besser. Wobei ich mich wahrscheinlich in Deutschland erst mal wieder daran werde gewöhnen müssen. Genauso wie Müll…äh…trennung.
Wer noch etwas mehr darüber lesen will, gehe zu dem Artikel Achtung Straßenverkehr (mit den Kommentaren!) auf Madrid für Deutsche. Aus diesem Artikel: „Hupen gilt für mich nicht als Kommunikationsmittel.” *g*
Noch kurz dazu: In der nicht weit von Madrid entfernten ehemaligen Hauptstadt Spaniens, Toledo, ist es oft sehr nebelig. Damit meine ich wirklich nebelig. (Auf dem Photo ist es nicht so nebelig.) An einigen Zebrastreifen gibt es blinkende Lichter auf der Straße, weil Autofahrer sonst kaum eine Chance hätten, die Übergänge zu erkennen. Gute Idee!
Vertrauen
Kürzlich habe ich mich hier mit einem Studenten unterhalten, der ein halbes Jahr lang in Hamburg lebte. Etwas, das ihn besonders beeindruckte, war das Vertrauen, das man in Deutschland fremden Menschen entgegenbringt.
Kaum Sicherheitspersonal in Geschäften! Weder in kleinen noch in großen! Keine Einlasskontrollen an Supermärkten, die mitgebrachte Rucksäcke „versiegeln” oder Taschen gleich komplett in eine „Schutzfolie” einschweißen — man darf sogar eigene Tüten mitbringen! Nicht überall Kameras auch in in den kleinsten Ecken! Keine permanenten Hinweise mitten in Regalen, die auch demente Menschen alle paar Minuten an die elektronische Sicherheitsvorrichtungen an den Waren erinnern! Kaum Sicherheitspersonal in den Bahnen! (Jedenfalls im Vergleich zu hier.) Man kann sogar in Bahnen steigen, ohne durch Sicherheitssperren zu müssen! Und in Bussen (zumindest tagsüber) auch hinten einsteigen! …
Angeblich — das kann ich natürlich nicht überprüfen — habe er es sogar mal ausprobiert und in einem Geschäft einige Sachen in aller Seelenruhe, ohne sich zu verstecken, in seinen Rucksack gesteckt und damit rausgegangen, ohne das es jemanden interessiert hätte. „In Deutschland erwartet man, dass die Menschen ehrlich sind; alles andere darf es nicht geben und gibt es damit auch nicht.” (Sinngemäße Wiedergabe; kein wörtliches Zitat.)
Nachdem ich so darüber nachgedacht (und mit ihm etwas diskutiert) habe, sehe ich es tendenziell auch so. Wobei die „Ausprägungen des Misstrauens” in einer Weltstadt wie Madrid mit relativ hohem Ausländeranteil natürlich stärkeren Ausdruck finden. Aber auch außerhalb Madrids wäre das ähnlich, wenn auch nicht so schlimm. Kann sein. Ich werde das mal im Auge behalten…
Zeitgefühl I: Über Fahrpläne, die keine sind
Der Umgang mit der Zeit ist hier anders als in Deutschland. Damit meine ich nicht nur die Unterschiede zwischen „deutscher” und „spanischer” Pünktlichkeit. („Wir treffen uns um fünf” heißt in Deutschland „wir treffen uns um fünf, und wenn ich 30 Minuten vorher merke, dass ich fünf Minuten später kommen werde, rufe ich schon mal an und entschuldige mich”; „wir treffen uns um fünf” heißt hier „wir treffen uns wahrscheinlich, falls nicht wenigstens etwas halb-wichtiges dazwischen kommt, zwischen Viertel nach fünf und kurz vor sechs.”) Sondern auch den anderen Umgang mit der Zeit in weiteren Situationen.
Generell kommt mir die Zeit hier viel „dynamischer” und „flexibler” vor. Nicht so „hart” und „final” wie bei uns. Darüber werde ich demnächst einige Beiträge verfassen.
Ein erstes Beispiel dafür sind die Busfahrpläne, die jedoch ein Deutscher kaum als „Fahrplan” bezeichnen würde. Auf ihnen findet man keine Abfahrtzeiten. Nur die Information des Taktes am Morgen, Mittag und Abend. Man stellt sich also an einer Haltestelle an und wartet, bis irgendwann ein Bus kommt. Das Konzept „Unpünktlichkeit” gibt es so überhaupt nicht. Ein Bus kommt einfach „irgendwann demnächst”. Und zwar nie unpünktlich. 😉