Ich habe mich kürzlich mit einer Person, die auch als Dolmetscherin für Spanisch, Deutsch und Englisch arbeitet, unterhalten. Dabei ging es auch um eine Besonderheit der deutschen Sprache, die es erschwert, aus dem Deutschen möglichst simultan ins Spanische oder Englische zu übersetzen: Der Position des Verbs.
Es gibt im Deutschen viele Satzkonstruktionen, bei denen das Verb erst ganz am Ende, nach einer langen Aufzählung, Einschüben (egal, wie wichtig sie auch sein mögen) oder anderen Anmerkungen nach langer Zeit endlich kommt. Und was sich Dolmetscher dann alles merken dürfen, da man im Spanischen und Englischen das Verb in der Regel relativ weit vorne, also vor allen anderen Informationen, die in dem Satz im Deutschen relativ weit vorne stehen, braucht.
Irgendwo im Web (ist schon lange her, daher habe ich jetzt keine Quelle mehr :-/) laß ich mal, dass dieses Phänomen auch damit zu tun haben könnte, dass sich Deutsche oft ausreden lassen und besonders Spanier und Italiener sich schnell ins Wort fallen. (Wie es hierbei mit den Engländern aussieht, weiß ich nicht.) Denn im Deutschen kann man oft nicht wirklich reinreden, wenn die Satzaussage so lange auf sich warten lässt. Im Spanischen ist die Aussage relativ schnell klar, sie kann mit zunehmender Länge des Satzes zwar präzisiert, aber kaum noch umgedreht werden. Interessante Theorie…
Vor einigen Tagen unterhielt ich mich in einer Bar mit einem Spanier auch einige Zeit lang auf Englisch. Auf seinen Wunsch, denn er wollte dies üben. Dabei ist mir wieder mal aufgefallen, wie unfassbar schlecht doch die Fremdsprachenkenntnisse sehr vieler (der meisten?) Spanier sind. Ich habe zum Beispiel gut anderthalb Minuten und mehrere Rückfragen und Umschreibungen gebraucht, um das Wort „job” zu verstehen, dass gesprochen von ihm sich so ungefähr wie „thjup” (mit deutscher Aussprache) anhörte. So schlimm war zwar natürlich nicht alles, aber es war auf gewisse Weise schon recht anstrengend… Das war auch nicht das erste Mal, dass mir so etwas passierte.
Er arbeitete übrigens in einer großen Bank. Was ich ihm dem Gesprächsinhalt und Rückfragen nach auch abnehme. Es passt auch wunderbar in mein Bild. Im Juni letzen Jahres war ich hier in einer großen Filiale der Deutschen Bank. Da ich die Bankfachbegriffe auf Spanisch nicht konnte, frage ich nach jemandem, der Englisch sprechen konnte. Ich dachte eigentlich, das wäre keine besondere Anforderung. Es hat drei bis fünf Minuten gedauert, während ein Mitarbeiter gerätselt und ungefähr ein Dutzend Leute gefragt hat, und dann endlich aus einem Büro jemanden auftreiben konnte, mit dem ich halbwegs sprechen konnte.
Am gleichen Abend habe ich mich auch mit einer Spanierin unterhalten, die mir einen schon länger gehegten Verdacht bestätigte: Dass Fremdsprachunterricht in Spanien erst einige Zeit nach der Transición (dem Übergang von der Franco-Diktatur zur parlamentarischen Demokratie) eingeführt wurde. Also gegen Mitte der 1980er Jahre. Das heißt, dass nur die maximal 30 Jahre alten Spanier Fremdsprachunterricht in der Schule hatten (beziehungsweise diejenigen, die frühestens um 1985 bzw. 1990 herum in die Schule gingen). Ausnahmen davon sind natürlich diejenigen Spanier, die im Tourismusgewerbe arbeiten und schon früher Sprachkurse machten. Das erklärt einiges.
<satire>Wenn man also bereits komplexe Sachverhalte wie „good” und „well” auseinanderhalten kann, gilt man hier bereits als englischer Muttersprachler. Ich sollte mal an einigen Stellen meine Profile ändern…</satire>
Vorhin beim Mittagessen (ca. 19 Uhr „deutscher Zeit”; ich glaube, ich werd’ auch mal etwas über den üblichen Zeitrhythmus hier schreiben müssen) hat es bei mir im Kopf erstmals eine dermaßen starke Vermischung von Englisch und Spanisch gegeben, dass ich und mein Mitbewohner teilweise unbewusst in Halbsätzen die Sprache wechselten und es uns erst später aufgefallen ist. Interessant.
Noch interessanter finde ich una Advertencia von einem meiner Mitbewohner, die er gesagt hat, nachdem wir auf die verschiedenen Dialekte im Englischen und Spanischen gekommen sind. Die spanische Sprache weist in der Aussprache je nach Land bekanntlich teilweise sehr deutliche Unterschiede in der Aussprache auf. Wenn man beispielsweise bei einem spanischsprachigen Sprecher „sch”-Laute (wie im Deutschen) hört, ist es sehr wahrscheinlich jemand aus Südamerika. Die „sch”-Laute gibt es im europäischen Spanisch überhaupt nicht. „Ich” = „yo” wird dann entsprechend nicht „jo”, sondern „scho” ausgesprochen.
Im Englischen gibt es natürlich auch eine sehr große Varianz in der Aussprache. Da ich Verwandte in der Nähe von Austin (Texas, USA) habe, weiß ich auch ganz genau, in welche Extreme das führen kann…
Um auf die Anmerkung zurück zu kommen: Er meinte, dass es gerade bei Sprachen, die es in so vielen „Varianten” gibt, nicht sinnvoll ist, immer nur die Hochsprache zu lernen. Denn in der Realität wird man damit sehr oft erst mal nicht viel anfangen können. Erst wenn man sich einige Zeit mit verschiedenen Dialekten / Slangs auseinandergesetzt hat, wird man sich souverän in der Sprache bewegen können.
Interessanter Punkt!
Das fällt mir auch gerade bei dem anderen Mitbewohner hier auf, der viel in Venezuela unterwegs ist und den ich nach einer Woche durch diverse, selbst-entwickelte „Substitutionsalgorithmen” mittlerweile besser zu verstehen glaube und auch selbst manchmal in der Sprachfärbung etwas imitiere, wenn ich mit ihm rede.
Tipp für Leute, die Spanisch lernen: Nicht nur tolle Serien wie den Columbo-Nachfolger Los Misterios de Laura anschauen, sondern auch Programme aus Südamerika, wie die Telenovela Para vestir santos. (Auf den Webseiten gibt es natürlich noch mehr Sendungen.) Das schöne gerade an Telenovelas ist — wie ich finde -, dass man da auch kulturell interessante Einblicke in die Gesellschaften dort bekommt und sieht, wie dort Menschen leben.
Auf dem Rückflug von Madrid nach Frankfurt. Das Flugzeug hat eine Verspätung von vier Stunden. Nachdem wir abgeflogen sind, sagte der Pilot durch die Lautsprecher:
Thank you for the delaytion.
Ich will nicht wissen, was der Pilot sagen würde bei einem Notfall…
Ich studiere Informatik an der TU Darmstadt und lebte von November 2010 bis Juni 2011 in Madrid. In diesem Blog schreibe ich über meine Erfahrungen und Anmerkungen über Sprache, Land, Stadt und Kultur.