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Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Spanien

Mensch­li­che Arbeit ist hier rela­tiv bil­lig. Das Wort „Wirt­schafts­kri­se” ist seit Jah­ren in aller Mun­de und zudem gibt es in Madrid sehr vie­le Immi­gran­ten aus Süd- und Mit­tel­ame­ri­ka. Über bil­li­ge Arbeits­kräf­te zur Müll­sor­tie­rung habe ich schon geschrie­ben. Wei­te­re Bei­spie­le: Eine gro­ße Lot­to-Gesell­schaft hat hier an jeder fünf­ten Stra­ßen­ecke ein Ver­kaufs­häus­chen, in dem sich die Ver­käu­fer nach mei­ner Beob­ach­tung meis­tens lang­wei­len. Park­ar­bei­ter für Gar­ten­ar­beit sehe ich meist „im Rudel” und oft bei der Pau­se. Arbeit für wahr­schein­lich tau­sen­de bie­ten auch Gas‑, Ener­gie- und Was­ser­un­ter­neh­men: In mei­ner Woh­nung kommt fast jeden Monat jemand vor­bei, um genau einen Zäh­ler­stand abzu­le­sen. Spä­ter kommt dann jemand ande­res, um einen ande­ren Zäh­ler­stand abzulesen. ?!

Es kommt mir mitt­ler­wei­le so vor, dass eine höhe­re Pro­duk­ti­vi­tät nicht wirk­lich ange­strebt wird, weil man dann nicht weiß, was man mit den vie­len Men­schen machen soll.

Vorbild Polizei

Zwei Polizisten an einer Ampel. Einer will bei rot rüber, der andere hält ihn zurück: „Ein Kind!” Der andere: „Mist!”

(Ursprungst­weet)

Musische Bettler

Wie in ande­ren Metro­po­len gibt es auch in Madrid vie­le Bett­ler. Dabei fin­de ich es auf­fäl­lig, wie „aktiv” vie­le davon hier sind. Man sieht zwar auch immer wie­der wel­che, die nur am Stra­ßen­rand sit­zen, aber auch oft wel­che, die mit Hil­fe ihrer künst­le­ri­schen Fähig­kei­ten betteln.

So passt hier zum Bei­spiel Bet­teln und Metro-Fah­ren oft zusam­men. Jemand steigt mit einer Gitar­re, einer Mund­har­mo­ni­ka, einem klei­nen Key­board, einem Laut­spre­cher und Mikro­phon, einer Gei­ge oder einem ande­ren Instru­ment in einen Metro-Wag­gon ein, spielt bis kurz vor der nächs­ten oder über­nächs­ten Sta­ti­on, läuft den Wag­gon dann ab und hält jedem Pas­sa­gier sei­nen Becher hin.

Musi­ka­li­sche Dar­bie­tun­gen fin­det man oft auch in den Gän­gen der Metro-Sta­tio­nen. Die „Lauf­zeit” zu den Glei­sen wird dann mit klas­si­schen oder moder­nen Stü­cken ver­süßt. Man­che Bett­ler fah­ren sogar eini­ges an Tech­nik auf; mit Boxen, Mixer, und Key­board mit ein­ge­spei­cher­ten Hin­ter­grund­rhyth­men kann man sich manch­mal schon wie auf einem Talent­wett­be­werb vorkommen.

Das Bet­teln scheint sich oft zu loh­nen — ich habe gehört, dass sie an einem Arbeits­tag 40–50 Euro ver­die­nen kön­nen. Ohne es bele­gen zu kön­nen hal­te ich das für rea­lis­tisch, da ich sehe, dass beson­ders Senio­rin­nen prak­tisch immer eini­ge Mün­zen spenden.

Jugend mit ungewisser Zukunft

Die Arbeits­lo­sig­keit im All­ge­mei­nen und die Jugend­ar­beits­lo­sig­keit (bis 25 Jah­re) im Spe­zi­el­len ist seit Jah­ren ein gro­ßes Pro­blem in Spa­ni­en. Ein sehr gro­ßes Pro­blem. Wenn mir jemand im Gespräch sagt, er mache etwas ande­res als ein Prak­ti­kum oder eine Aus­hilfs­stel­le, fällt mir das schon auf.

Halb­staat­li­che Orga­ni­sa­ti­on schei­nen laut einer Bekann­ten unge­ach­tet den Nut­zens mög­lichst vie­le Prak­ti­kan­ten ein­zu­stel­len, die zwar die meis­te Zeit dann nicht wis­sen, was sie machen sol­len, aber wenigs­tens „Arbeit” haben. Auf dem Papier jeden­falls. Eine ande­re, die sich hier nach einer Stel­le umschaut, berich­te­te von Erleb­nis­sen wie fol­gen­dem: „Um 8 Uhr wird in einem Online-Stel­len­por­tal eine Stel­le annon­ciert und um 10 Uhr sieht man, dass sich über das Sys­tem schon knapp 2.000 / 4.000 Leu­te mit ihren Unter­la­gen dort bewor­ben haben.” (Ich kann mich nicht mehr genau dar­an erin­nern, ob von 2.000 oder 4.000 Bewer­bern die Rede war. Aber egal, das spielt dann eigent­lich auch kei­ne Rol­le mehr…)

Nach den aktu­el­len Zah­len von Euro­stat ist Spa­ni­en Rekord­meis­ter in den Dis­zi­pli­nen all­ge­mei­ne Arbeits­lo­sig­keit mit 20,5% und Jugend­ar­beits­lo­sig­keit mit 43,5%. Und die­se Zah­len geben auf­grund ver­zer­ren­der Fak­to­ren wie üblich nur eine unte­re Schran­ke an.

Dann ver­steht man auch, dass es hier wie im gan­zen Land sehr häu­fig Demons­tra­tio­nen und wei­te­re Aktio­nen beson­ders von jun­gen Men­schen gibt. Das (im dop­pel­ten Sin­ne) lin­ke Flug­blatt, dass seit eini­gen Tagen hier öfters zu sehen ist, ist eines von vie­len, wel­che die Schi­zo­phre­nie unse­rer Gesell­schaft schön dar­stel­len. Oben steht über­setzt „Gegen das Pre­ka­ri­at in den Hör­sä­len — Wir wol­len Sti­pen­di­en und kei­ne Hypo­the­ken!” und unten „Wir ret­ten die Ban­ken, wir zer­stö­ren die Bildung.”

Eine „vor­erst befris­te­te” (wir ken­nen das ja aus unse­rer Geschich­te) Lösung für immer mehr jun­ge Men­schen ist die Aus­wan­de­rung — beson­ders nach Deutsch­land. Mer­kel hat bei ihrem Madrid-Besuch im Febru­ar beson­ders für jun­ge und qua­li­fi­zier­te Arbeits­lo­se deren Ein­wan­de­rung nach Deutsch­land vor­ge­schla­gen. Der loka­len Pres­se nach zu Urtei­len wur­de dies auch von der Regie­rung stark begrüßt. Ich habe sogar schon min­des­tens zwei Ankün­di­gun­gen von Infor­ma­ti­ons­aben­den für Aus­wan­de­rungs­wil­li­ge nach Deutsch­land gese­hen. Zwei Bekann­te von mir wol­len auch schon den Som­mer nach Deutsch­land für Prak­ti­ka mit Stel­len­aus­sicht — es gäbe da „unglaub­lich viel”.

Stofftüten

Mädchengruppe untereinander in der Metro, offenbar kurz auf mich bezogen: „Wo verwendet man denn Stofftaschen?” — „In Deutschland.” #klischeeerfüllt

(Ursprungst­weet)

Rentner verlassen die Stadt

Naja, die Städ­te in Deutsch­land sind sicher­lich nicht am Sin­ken. Aber letz­te Woche ist mir bewusst gewor­den, dass man in Madrid sehr vie­le alte Men­schen sieht. Ich bin schon in Bus­se gestie­gen, die auf einer Kaf­fee­fahrt hät­ten unter­wegs sein können.

In Deutsch­land schei­nen sich Rent­ner eher in Dör­fern und klei­nen Städ­ten in Rand­la­gen an Bal­lungs­zen­tren nie­der­zu­las­sen. (Das ist jeden­falls mein Ein­druck.) In (Groß-) Städ­ten schei­nen mir Rent­ner nicht so stark ver­tre­ten zu sein. Aber viel­leicht bewe­ge ich mich da auch nur in den fal­schen Stadtteilen…

Aller­dings passt die Beob­ach­tung auf die Tat­sa­che, dass in Spa­ni­en (wie den meis­ten süd­li­chen EU-Län­dern) die (Groß-) Fami­lie noch einen deut­lich höhe­ren Stel­len­wert als in Deutsch­land hat. Viel­leicht gilt es daher als nor­mal, dass die Eltern den Kin­dern in die Groß­stadt nachziehen.