Die Hefe gärt
Wie angekündigt hat die Bewegung 15M letzten Sonntag die Puerta del Sol geräumt. Jedenfalls größtenteils. Ungefähr zwei dutzend Zelte sind noch zu sehen und es soll noch einige Tage ein kleiner Info-Stand bleiben. An einigen Stellen liegt noch gesammelter Müll. Auf der Versammlung vom letzten Dienstag, auf der der Abzug (bzw. „Umzug” in die Viertel; siehe unten) beschlossen wurde, wurde angekündigt, die Sol sauberer zu hinterlassen als sie vorher war. Größtenteils wurde das Wort gehalten; selbst die Glasfasade eines Metro-Eingangs strahlt in neuem Glanz. (Ich gehe davon aus, dass der restliche Müll demnächst ebenfalls von der Bewegung entfernt wird.)
Im folgenden sind einige Eindrücke von heute festgehalten.
Am Fuße der zentralen Reiterstatue von Karl III. von Spanien befindet sich nun eine offenbar von der Bewegung installierte „Gedenktafel” mit der Aufschrift „Wir schlafen. Wir erwachen.” (Darunter steht etwa „Genommener Platz”, eine Anspielung auf den ebenfalls verbreiteten Namen der Initiative Toma la plaza.)
An einigen Wänden, mehrere Meter lang und ca. 2 Meter hoch, erinnern unter anderem Wünsche, Forderungen und Rückblicke an die Besetzung der Sol. (Auf das Photo klicken für volle Größe; einiges steht auch auf Englisch dort.)
Obiges ist das einzige noch an der Reiterstatue hängende Plakat, das an die Bewegung erinnert. Freie Übersetzung (auf die Schnelle und ohne Gewähr, vor allem der dritte Absatz ist so nicht ganz rund) des Textes von Rafael G.:
Die Hefe
„Die Jugendlichen aller Länder und Rassen,
an einem Mai-Tag des vergangenen Zeitalters,
verschwanden in einem langen Winterschlaf.Sie gruben die Blumen früherer Mai-Tage aus;
sie stürzten auf zur Eroberung auf die Straßen und Plätze,
teilten gemeinsame Illusionen und vergessene Utopien,
und gaben der Welt eine schöne Lektion:
‚Wir sind die Hefe, die den Brotteig wachsen lässt.’Kinder und Enkelkinder von anderen, frustrierenden Utopien,
erhoben sich aus den kargen Boden der Schande,
für verdammte Bewohner ohne Gewissen.
Und es sprossen jene alten Körner,
die mit so viel Liebe andere Jugendlichen ansteckten.
In diesen Straßen, Plätzen und Alleen.Diese Jugendlichen tragen die Zukunft in ihren Adern,
bereit, für ihre Nachkommen,
eine gerechtere, gleicherere Gesellschaft zu schaffen;
Eine Gesellschaft, frei von Blutsaugern und Opportunisten.
Sie sind nicht so alt und doch schon erwachsen.‚Die Hefe, die den Brotteig wachsen lässt.’ ”
„Wir sehen uns in den Stadtvierteln!” — Es soll weiterhin Versammlungen geben, um das Potential aufrecht zu erhalten. Allerdings dezentral in den Stadtvierteln. Leider hab ich auch das letzte Treffen am Samstag verpasst, aber ich will da noch mal hingehen. Wobei ich, wie ich im letzten Beitrag schon schrieb, vor Herbst nichts spannendes mehr erwarte.