Vertrauen
Kürzlich habe ich mich hier mit einem Studenten unterhalten, der ein halbes Jahr lang in Hamburg lebte. Etwas, das ihn besonders beeindruckte, war das Vertrauen, das man in Deutschland fremden Menschen entgegenbringt.
Kaum Sicherheitspersonal in Geschäften! Weder in kleinen noch in großen! Keine Einlasskontrollen an Supermärkten, die mitgebrachte Rucksäcke „versiegeln” oder Taschen gleich komplett in eine „Schutzfolie” einschweißen — man darf sogar eigene Tüten mitbringen! Nicht überall Kameras auch in in den kleinsten Ecken! Keine permanenten Hinweise mitten in Regalen, die auch demente Menschen alle paar Minuten an die elektronische Sicherheitsvorrichtungen an den Waren erinnern! Kaum Sicherheitspersonal in den Bahnen! (Jedenfalls im Vergleich zu hier.) Man kann sogar in Bahnen steigen, ohne durch Sicherheitssperren zu müssen! Und in Bussen (zumindest tagsüber) auch hinten einsteigen! …
Angeblich — das kann ich natürlich nicht überprüfen — habe er es sogar mal ausprobiert und in einem Geschäft einige Sachen in aller Seelenruhe, ohne sich zu verstecken, in seinen Rucksack gesteckt und damit rausgegangen, ohne das es jemanden interessiert hätte. „In Deutschland erwartet man, dass die Menschen ehrlich sind; alles andere darf es nicht geben und gibt es damit auch nicht.” (Sinngemäße Wiedergabe; kein wörtliches Zitat.)
Nachdem ich so darüber nachgedacht (und mit ihm etwas diskutiert) habe, sehe ich es tendenziell auch so. Wobei die „Ausprägungen des Misstrauens” in einer Weltstadt wie Madrid mit relativ hohem Ausländeranteil natürlich stärkeren Ausdruck finden. Aber auch außerhalb Madrids wäre das ähnlich, wenn auch nicht so schlimm. Kann sein. Ich werde das mal im Auge behalten…
Hinweis zu den „Sicherheitssperren“ bei der Bahn: Es sind wohl die Bahnsteigsperren gemeint. Wie man in der Wikipedia nachlesen kann, wurden sie ursprünglich errichtet, um den Passagier vor dem neuen Verkehrsmittel „Bahn“ zu schützen, nicht zur Kontrolle oder so.
Als die Menschen sich dann an die Bahn gewöhnt hatten und sie immer öfter benutzen, scheute man in Deutschland die gestiegenen Personalkosten (oder die Kosten für elektrische Sperren) und baute sie in den Siebzigern ab. Hinzu kam, dass die Fahrscheinkontrolle in den neuen durchgängigen Zügen einfacher gemacht werden konnte.
Danke für die interessante Ergänzung! (Link zum Wikipedia-Artikel) Ja, das ist damit wohl gemeint; bei flickr gibt’s ein Bild davon.
Ergänzend kann man noch erwähnen, dass Fahrscheinkontrollen auch trotz durchgehenden Zügen (von denen es hier auch etliche gibt) nicht unbedingt praktikabel sind, wenn es sehr oft sehr voll ist und viele Leute nicht allzu viele Stationen mit dem Zug fahren. Ich finde das System hier angenehmer, aber das ist nur meine subjektive Meinung…